
Die Herausforderungen in den niedersächsischen Kindertagesstätten sind seit Jahren bekannt - und doch hat sich an den strukturellen Problemen kaum etwas geändert. Während Politik und Fachwelt das Thema immer wieder diskutieren, droht es aktuell im politischen Tagesgeschäft erneut aus dem Blick zu geraten. Genau hier setzt unsere Petition an: Wir bringen das Anliegen jetzt auf die Agenda, weil die Situation an einem Kipppunkt angekommen ist. Ohne zügige, entschlossene Reformen steht nicht nur die Qualität frühkindlicher Bildung auf dem Spiel, sondern die Zukunftsfähigkeit unseres gesamten Landes.
Frühkindliche Bildung ist die Grundlage für Chancengleichheit, persönliche Entfaltung und eine starke Wirtschaft. Studien belegen: Kinder, die gut betreut und gefördert werden, haben später bessere Bildungs- und Berufsaussichten und leisten einen höheren Beitrag zum Gemeinwohl. Gleichzeitig müssen berufstätige Eltern - die unser Wirtschaftswachstum täglich mittragen - sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder verlässlich, kompetent und liebevoll betreut werden. Nur so können sie sich ihrem Beruf widmen, Innovation vorantreiben und die wirtschaftliche Stärke Niedersachsens sichern.
Angesichts des Fachkräftemangels, stetig wachsender Betreuungszeiten und veralteter gesetzlicher Rahmenbedingungen reicht „weiter so" nicht mehr aus. Das Niedersächsische Kita-Gesetz (NKiTaG) stammt im Kern aus dem Jahr 1991 und spiegelt die heutigen Anforderungen längst nicht mehr wider. Die Schere zwischen Anspruch und Realität geht immer weiter auseinander - zu Lasten der Kinder, der Familien, der Fachkräfte aber auch der Kommunen und somit letztlich der gesamten Gesellschaft. Mit dieser Petition fordern wir deshalb die Landespolitik auf, das Thema endlich mit der Priorität zu behandeln, die ihm zusteht, und die notwendigen gesetzlichen Anpassungen jetzt anzustoßen.
Nur wenn wir frühkindliche Bildung stärken, sichern wir langfristig Fachkräfte, Innovation und Wohlstand. Deshalb bitten wir Sie, unser Anliegen zu unterstützen und gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen in den niedersächsischen Kitas einzutreten.
Vor diesem Hintergrund fordern wir:
Bezahlte Ausbildung: Um sicherzustellen, dass sich mehr - vor allem geeignete - Menschen für den Beruf begeistern und die Ausbildung ohne finanzielle Nachteile absolvieren können, erhalten alle angehenden Erzieherinnen und pädagogische Fach- und Assistenzkräfte während aller schulischen und praktischen Ausbildungsphasen eine Ausbildungsvergütung nach dem TVöD.
Reduzierung der Gruppenstärke und Anpassung des Betreuungsschlüssels: Angesichts gesicherter Erkenntnisse der Bertelsmann-Stiftung und weiterer Fachpublikationen, wonach bei zu großen Gruppen oder unzureichendem Fachkräfteschlüssel wesentliche Qualitätsmerkmale wie individuelle Förderung, emotionale Zuwendung, Sprachbildung und eine gezielte Entwicklungsbeobachtung deutlich eingeschränkt werden, sind die Gruppengrößen grundsätzlich auf höchstens 21 Kinder im Alter ab drei Jahren und auf maximal zwölf Kinder im U3-Bereich zu begrenzen. Um eine altersangemessene Betreuung zu gewährleisten, sollen mindestens drei Fachkräfte pro Gruppe über den gesamten Betreuungszeitraum anwesend sein.
Erhöhung der Leitungsstunden und der Verfügungszeiten: Seit Festsetzung der Leitungs- und Verfügungszeiten sind die Aufgaben für Kitaleitungen und pädagogisches Betreuungspersonal stetig gewachsen. Im Kita-Alltag müssen viele Regelungen beachtet und Verwaltungsaufgaben bearbeitet werden. Mit den gesetzlich zur Verfügung gestellten Ressourcen können die Anforderungen nicht mehr bedarfsgerecht erfüllt werden. In Anlehnung an die Regelung des Bundeslandes Hessen fordern wir § 12 NKiTaG wie folgt zu modifizieren: Die Freistellung der KiTa-Leitungen bemisst sich an der Gesamtarbeitszeit aller pädagogischen Kräfte und umfasst 20 Prozent davon, mindestens jedoch eine halbe Stelle. Zudem stehen jeder pädagogischen Fachkraft sowie den Assistenzkräften mindestens drei Stunden Verfügungszeit pro Woche für Vor- und Nachbereitung sowie Elternarbeit zur Verfügung. Nur so kann den stetig wachsenden Anforderungen in den Kindertagesstätten angemessen begegnet und eine hohe pädagogische Qualität gewährleistet werden.
Anpassung der Landesmittel für Kindertagesstätten: Die Finanzierung der Kindertagesstätten ist derzeit strukturell unausgewogen. Während die Anforderungen an Träger und Kommunen kontinuierlich steigen, werden die kommunalen Haushalte durch ein wachsendes Defizit belastet. Die vom Land bereitgestellten Mittel decken den tatsächlichen Bedarf nicht mehr ab und führen zu erheblichen finanziellen Schieflagen in den Kommunen. Um die Qualität der frühkindlichen Bildung langfristig zu sichern und die kommunale Handlungsfähigkeit nicht weiter zu gefährden, fordern wir eine bedarfsgerechte Anpassung der Landesmittel.
Konkret: Das Land muss die Refinanzierung so ausgestalten, dass sämtliche Personal- und Sachkosten vollständig gedeckt werden, einschließlich der jährlich steigenden Tarifsteigerungen, inflationsbedingten Kostensteigerungen sowie der notwendigen Investitionen in Infrastruktur und Qualitätssicherung. Nur durch eine strukturell abgesicherte und dynamisch an den tatsächlichen Bedarf angepasste Finanzierung können Kommunen, Träger und Einrichtungen gleichermaßen ihre Aufgaben erfüllen und die Kinderbetreuung und frühe Bildung auf einem qualitativ hohen Niveau gewährleisten.
Verbindliche Aufnahme von Vertretungsstunden in das NKitaG: Die Personalbemessung in Kindertagesstätten berücksichtigt bislang nicht ausreichend die notwendige Vertretung bei Krankheit, Fortbildung, Urlaub oder anderen Ausfallzeiten. Diese Lücke führt in der Praxis zu erheblichen Belastungen für die Mitarbeitenden sowie zu Einschränkungen in der pädagogischen Arbeit und den Betreuungszeiten.
Konkret: Das Land muss die Personalkostenberechnung so ausgestalten, dass zusätzlich 30 % der in den Einrichtungen anfallenden Personalstunden verbindlich für Vertretungen zur Verfügung stehen und refinanziert werden.