In immer mehr Bundesländern ist es zu dem dringend benötigten Paradigmenwechsel in der Kulturpolitik gekommen, weil sie die Bedeutung der Theater in einer Demokratie erkannt und ihre Theaterförderung gerade substantiell erhöht haben und weiter erhöhen.
(So wird z. B. NRW die Landeszuschüsse für kommunale Theater bis zum Jahr 2022 um 30 Mio. Euro jährlich auf dann 50 Mio. Euro mehr als verdoppeln und bis 2020 die Förderung für die Freien Darstellenden Künste ebenfalls um 50% erhöhen und hat gerade zusätzlich weitere Mittel für die Landesbühnen bereitgestellt. So hat Thüringen seine Landeszuschüsse für kommunale Theater um 17 Mio. Euro jährlich erhöht, Sachsen die Mittel zur Theater- und Orchesterfinanzierung ab 2019 um 10 Mio. Euro, Mecklenburg-Vorpommern seine Zuschüsse um über 10% auf 40 Mio.aufgestockt, Brandenburg übernimmt von diesem Jahr an fünfzig Prozent der Finanzierung der Theater und stellt bis 2022 rund 55 Mio. Euro zusätzlich zur Verfügung, Sachsen-Anhalt hat eine um 5 % höhere Grundförderung für seine Theater festgeschrieben, ebenfalls sollen mit zusätzlichem Geld auch Tariferhöhungen ermöglicht werden. Die Städte Hamburg, München und Berlin haben Fördertöpfe im Bereich der Freien Darstellenden Künste substanziell ausgeweitet.)
Doch Niedersachsen schert nun entgegen der Ankündigungen in der Koalitionsvereinbarung – „Die kommunalen Theater, die Freien Theater, die Amateurtheater, die Theaterpädagogik und die Soziokultur sind Garanten dafür, dass es kulturelle Vielfalt im Flächenland Niedersachsen gibt. Wir wollen sie stärker fördern.“ – trotz guter Haushaltslage überraschend und ohne Not aus dieser bundesweiten Trendwende aus und droht kulturpolitisch den Anschluss zu verlieren – ausgerechnet das Bundesland, das bei öffentlichen Ausgaben für Kultur im Ländervergleich je Einwohner auch aktuell noch an drittletzter Stelle steht und den Theatern in den letzten Jahren keine Erhöhungen zugesprochen hat.
Deshalb fordern das Aktionsteam #rettedeintheater, das Aktionsbündnis der Niedersächsischen Theaterschaffenden, sowie Musiker*innen, Sänger*innen, Tänzer*innen – zusammen mit ihren Zuschauer*innen – die niedersächsische Landesregierung auf, die Koalitionsversprechen einzuhalten, die kulturelle Vielfalt im Flächenland Niedersachsen dauerhaft finanziell abzusichern und deutlich mehr Geld für die Theater- und Orchesterlandschaft zur Verfügung zu stellen. Das Thema Kulturförderung muss im Landtag noch einmal neu verhandelt werden, darüber hinaus muss eine langfristige Perspektive substantieller und nachhaltiger Erhöhungen im Kunst- und Kulturbereich entwickelt werden, zu der auch die dauerhafte und vollumfängliche Übernahme von Tarifsteigerungen gehört. Der aktuelle Haushalt der niedersächsischen Landesregierung stellt eine akute Bedrohung für die Vielfalt der gesamten niedersächsischen Theater- und Orchesterlandschaft dar und entzieht sowohl den größeren, kleineren als auch den freien Theatern und Orchestern die finanziellen Grundlagen für eine lebendige und zeitgenössische Aufrechterhaltung der Angebote.
(Hintergrund: Nachdem im Sommer 2018 zunächst von mehr Geld für Theater und Orchester die Rede war, fand sich nach einer Klausurtagung nichts davon im Haushaltsentwurf der Landesregierung wieder. Statt der – von den kommunalen Theatern als Bedarf angemeldeten – 9 Mio.Euro, die inzwischen bereits auf 6 Mio. Euro runtergehandelt worden waren, standen dort 0 Euro. Diese Kehrtwende in der Förderpolitik rief bei Theaterschaffenden, Zuschauer*innen und kulturpolitisch interessierten Politiker*innen große Empörung hervor und führte in Göttingen zur Gründung des Aktionsteams #rettedeintheater, welches sich am 3. Oktober mit Theaterschaffenden von Stadt-, Staats- und Freien Theater, sowie den Landesbühnen zum Aktionsbündnis der Niedersächsischen Theaterschaffenden zusammenschloss.
Unermüdliche Lobby- und Pressearbeit, eine erfolgreiche Petition mit über 19.000 Unterzeichner*innen und deren Übergabe auf einer großen Kundgebung an Landtagspolitiker*innen (fast) aller Fraktionen im Oktober 2018 führten dazu, dass über die politische Liste den kommunalen Theatern 3 Mio. Euro zusätzlich für das nächste Haushaltsjahr zugesprochen wurden. Ein von Presse, Politik und Unterstützer*innen gefeierter Teilerfolg – der sich bereits jetzt als Misserfolg herauszustellen scheint: Die zusätzlichen Gelder sollen nun nach Vorschlag des Ministeriums u.a. mit Tarifsteigerungen verrechnet werden, so dass den kommunalen Theatern deutlich weniger bzw. kaum Geld zusätzlich zur Verfügung steht.
Den Freien Theatern wurden über die politische Liste für das Jahr 2019 250.000 Euro mehr für die so genannte Konzeptionsförderung zugesprochen. Auch die Freude über diesen Erfolg steht bislang noch auf tönernen Füßen: Die Konzeptionsförderung wird über einen Dreijahreszeitraum vergeben. Sollte die Verdopplung (von 255.000 auf 500.000 Euro) nicht verstetigt werden steht den geförderten Theatern im zweiten und dritten Jahr nur noch die Hälfte der vom Theaterbeirat des MWK befürworteten Summe zur Verfügung. Die Situation ist unkalkulierbar und verunsichernd.
Ebenso gibt es – sowohl für die kommunalen, als auch die Freien Theater, sowie das GSO – weiterhin keine langfristige Perspektive, solange diese zusätzlichen Gelder nicht 1.) um den tatsächlichen Bedarf erhöht, 2.) regulär und dauerhaft in den Haushalt eingestellt werden und 3.) sich das Land verpflichtet, Tarifsteigerungen langfristig und in vollem Umfang auszugleichen. Die dringend überfälligen Aufstockungen für die niedersächsischen Theater und Orchester bleiben also weiterhin aus.
Die öffentliche Anhörung zu dieser Eingabe hat am 24.09.2019 im Forum des Landtages stattgefunden.
Der Petitionsausschuss hat die Eingabe und die dazu eingeholte Stellungnahme des zuständigen Ministeriums in seiner nicht öffentlichen Sitzung am 17.06.2020 abschließend beraten und dem Landtag dazu den nachfolgenden Beschluss empfohlen:
Die Eingabe wird hinsichtlich der im Jahre 2020 ff. zusätzlich bereitgestellten Haushaltsmittel für die kommunalen Theater als erledigt erklärt. Die Eingabe wird bezüglich der gewünschten Dynamisierung der Förderung mit Hinblick auf zukünftige Tarifsteigerungen der Landesregierung als Material überwiesen. Im Übrigen ist die Einsenderin über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten.
Der Landtag ist dieser Empfehlung in seiner Sitzung am 01.07.2020 gefolgt. Damit ist die parlamentarische Behandlung der Eingabe abgeschlossen.